Ziel des Vortags ist es, die grundlegenden Funktionen des endogenen Opiatsystems anschaulich darzustellen. Dieses System spielt bei Säugetieren eine wichtige Rolle bei der neuronalen Verarbeitung von angenehmen, wie auch unangenehmen Reizen. So ist z.B. die freudvolle soziale Interaktion mit anderen Menschen (play; social bonding) ein Vorgang, der mithilfe von endogenen Opiaten im Gehirn vermittelt wird. Im Gegenzug hierzu ist der plötzliche Verlust eines geliebten Menschens (separation distress) ein höchst schmerzhafter psychischer Prozess, der ebenfalls im endogenen Opiatsystem in Form eines Mangel-oder Karenzsyndroms vermittelt wird. Bekanntlich sind Opiatwirkstoffe wie Morphin, Methadon etc. seit langer Zeit fester Bestandteil der medikamentösen Behandlung in der Medizin, wobei sie hier ausschliesslich zur Schmerzbehandlung und zur Substitutionsbehandlung bei schwerer Opiatabhängigkeit verordnet werden. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Erkenntnisse über die Bedeutung des Opiatsystems im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von freud- oder schmerzvollen zwischenmenschlichen Beziehungen, wird seit einigen Jahren die Frage diskutiert, ob nicht auch eine Verordnung von Opiatwirkstoffen in psychiatrischen Krisensituationen sinnvoll und sicher sein kann. Der Vortrag veranschaulicht anhand von klinischen Fallbeispielen die grosse Relevanz dieser Fragestellung und stellt den aktuellen Stand dieser Diskussion dar.